1. Ist die Ablehnungsquote im Bereich Berufsunfähigkeitsversicherung hoch?
Die Frage ist mit einem klaren Ja zu beantworten. In keinem anderen Versicherungszweig ist sie höher. Über 30 % der Rentenanträge werden abgelehnt, weil der notwendige Grad von mindestens 50 % Berufsunfähigkeit angeblich nicht erreicht wird. In weiteren rund 10 % wird wegen angeblicher Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten nicht geleistet (Daten 2013, Quelle: Morgen&Morgen)
2. Ist die Antragstellung ohne fachkundige Hilfe schwierig?
In vielen Fällen sind Versicherungsnehmer mit der Antragstellung überfordert, dies ergab im September 2013 eine Anhörung im Bundesjustizministerium zum Thema „Regulierungspraxis in der Versicherungswirtschaft“. Diese Überforderung zeigt sich in Zahlen daran, dass rund 35 % der gestellten Anträge von den Versicherungsnehmern gar nicht bis zur Leistungsentscheidung des Versicherers weiterverfolgt werden (Daten 2013, Quelle: Morgen&Morgen). Die Kunden reagieren irgendwann nicht mehr auf die Rückfragen der Versicherer, kapitulieren und verzichten auf vielleicht bestehende Leistungsansprüche.
Rechtlich darf der Versicherer alle aus seiner Sicht für die Leistungsprüfung erforderlichen Auskünfte vom Versicherungsnehmer verlangen. Er hat dabei einen weiten Ermessensspielraum und dieser wird regelmäßig auch genutzt. Häufig versendet der Versicherer eine Vielzahl von Anfragen an den Versicherungsnehmer und fordert über Monate scheibchenweise immer mehr Informationen und Belege an. Das kann schnell zermürben, vor allem, wenn der Berufsunfähigkeit psychische Erkrankungen wie Depressionen, Burn-Out oder Angststörungen zugrunde liegen.
Wenn man in einer solchen Situation nicht allein ist, sondern von Anfang an einen spezialisierten Fachanwalt an seiner Seite hat, dann schont man die ohnehin schon beeinträchtigten eigenen Kräfte, die man für sich selbst braucht. Denn wenn der Antrag von Beginn an sorgfältig vorbereitet wird, lassen sich sonst erforderliche Rückfragen des Versicherers deutlich reduzieren oder sogar gänzlich vermeiden. In mehreren Fällen konnten wir ein Anerkenntnis bereits innerhalb weniger Wochen erreichen (s. Beispiele unter https://tamm-law.de/html/berufsunfahigkeit.html) und von einem einmal abgegebenen Anerkenntnis kann sich der Versicherer nur unter sehr engen Voraussetzungen wieder lösen und seine Leistung einstellen.
3. Welche Bedeutung hat das Alter des Versicherungsvertrags?
Eine recht hohe. Besteht der Vertrag noch keine 10 Jahre, dann kann er wegen angeblich falscher oder unvollständiger Beantwortung von Gesundheitsfragen vom Versicherer angefochten oder der Rücktritt erklärt werden, eine Möglichkeit, die die Versicherer weidlich nutzen. Kaum ein Versicherungsnehmer erinnert sich bei Vertragsschluss noch an alle ärztlichen Untersuchungen und Behandlungen der letzten 5 Jahre. Entsprechend häufig finden die Versicherer etwas, auf das sie ihre Anfechtung stützen können. Ob Anfechtung oder Rücktritt rechtmäßig waren, ist aber oft zweifelhaft. Und dass manche Versicherungsvermittler, die die Anträge in vielen Fällen für den Versicherungsnehmer ausgefüllt haben, es im eigenen Provisionsinteresse mit der korrekten Beantwortung von Gesundheitsfragen nicht ganz so genau nehmen, ist kein Geheimnis.
Man sollte sich durch Anfechtung oder Rücktritt nicht völlig verunsichern lassen, sondern den Sachverhalt anwaltlich prüfen lassen, denn ganz so einfach macht es das Gesetz den Versicherern nicht. Beispielsweise liegt die Beweislast für eine Arglist des Versicherungsnehmers beim Versicherer. Besser ist es aber, Anfechtung und Rücktritt von vornherein zu vermeiden. Das aber kann nur gelingen, wenn die Antragstellung von Beginn an in fachkundige Hände gelegt wird. Sind Anfechtung und Rücktritt erst einmal erklärt, dann wird im besten Fall nur die Leistungsprüfung verzögert. In vielen Fällen aber lässt sich ein Klageverfahren dann nicht mehr vermeiden
4. Was ist von einem Klageverfahren zu erwarten?
In meiner anwaltlichen Praxis erlebe ich es immer wieder, wie belastend Klageverfahren für die Versicherungsnehmer sind, besonders, wenn der Berufsunfähigkeit psychische Erkrankungen wie Depressionen zugrunde liegen. Neben die existentielle Bedrohung, die in einer regelmäßig langen Verfahrensdauer liegt, tritt eine ganz erhebliche psychische Belastung. Diese wird nicht nur dadurch begründet, dass es um sensible Gesundheitsdaten geht, über die im Prozess gesprochen wird, sondern auch dadurch, dass manche Anwälte von Versicherern meinen, die ohnehin schon schwer erkrankten Kläger in ihren Schriftsätzen noch zusätzlich herabsetzen und angreifen zu müssen, anstatt sich sachlich mit der Klage auseinanderzusetzen.
So behauptete beispielsweise eine Kanzlei in einem gerichtlichen Schriftsatz vom 06.08.2018 an das Landgericht Würzburg für die Alte Leipziger, der Kläger wolle nur nicht mehr arbeiten, weil er Zeit für andere Dinge benötige. Mit Hilfe willfähriger Ärzte würde er sich einreden, dass er zum Arbeiten aufgrund seiner Persönlichkeit nicht geeignet ist. Dass das starke Übergewicht des Klägers durch eine Essstörung bedingt sei, werde bestritten. Der Kläger sei einfach nur nicht diszipliniert, treibe keinen Sport und versuche, seine Bequemlichkeit auf eine vermeintliche Krankheit zu schieben.
Das darf man wohl als unverschämt bezeichnen und so etwas liest niemand gerne, erst recht nicht ein ohnehin bereits schwer Erkrankter, der um seine finanzielle Existenz bangen muss. Aus diesem Grund empfehlen wir Versicherungsnehmern, sich bereits bei der Antragstellung von uns beraten und vertreten zu lassen, damit es gar nicht erst zu einem Klageverfahren kommt.
5. Kann ein Klageverfahren auch Vorteile gegenüber einem außergerichtlich erreichten Anerkenntnis haben?
Nein, aus den soeben genannten Gründen. Mit einer einzigen Ausnahme: Wenn das Klageverfahren irgendwann gewonnen ist, dann stehen dem Kläger zusätzlich zu den vertraglichen Leistungen Prozesszinsen zu, die 5 % über dem Basiszinssatz liegen. Eine vergleichbar hohe Verzinsung bekommt man sonst nirgends. In einem von unserer Kanzlei geführten Verfahren beliefen sich allein diese Zinsen auf rund 5.000 €. Insoweit können also erhebliche Summen zusammenkommen – vorausgesetzt, der beauftragte Rechtsanwalt hat die Zinsanträge korrekt formuliert.